In § 476 BGB heißt es wörtlich: Zeigt sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel, so wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar.
Bislang hat der BGH die Norm dahingehend ausgelegt, dass die Vorschrift lediglich in zeitlicher Hinsicht eine Vermutung zu Gunsten des Verbrauchers entfaltet. Dementsprechend konnte sich der Käufer nur darauf berufen, dass ein Sachmangel, der innerhalb von sechs Monaten nach Übergabe des Fahrzeuges auftritt, bereits bei Gefahrübergang – also der Übergabe des Fahrzeuges – vorlag. Der Käufer musste jedoch den Beweis dahingehend führen, dass überhaupt ein Sachmangel vorliegt. War also nicht aufklärbar, ob der Schaden an der Kaufsache auf eine vertragswidrige Beschaffenheit (also einen Sachmangel) oder auf eine unsachgemäße Nutzung durch den Käufer zurückzuführen ist, so ging dies stets zu Lasten des Käufers.
Nunmehr hat der BGH in seinem Urteil vom 12.10.2016 (Az. VII ZR 103/15) den Anwendungsbereich das § 476 BGB auch in tatsächlicher Hinsicht eröffnet. Dies hat zur Folge, dass der Käufer künftig weder den Grund der Vertragswidrigkeit –also den Sachmangel- beweisen muss, noch den Umstand, dass die Vertragswidrigkeit dem Verkäufer zuzurechnen ist –also zum Zeitpunkt der Übergabe schon vorlag.
Der Käufer muss nur darlegen und beweisen, dass der Kaufgegenstand mangelhaft im Sinne von § 434 BGB ist. Dies ist der Fall, wenn
- sich die Sache nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, oder
- keine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.
Ferner wird die Vermutungswirkung des § 476 BGB nunmehr dahingehend erstreckt, dass das Vorliegen eines zumindest latenten Sachmangels bei Übergabe vermutet wird, wenn sich der Sachmangel binnen 6 Monaten zeigt. Dementsprechend ist der Käufer von der Nachweispflicht entbunden, dass ein latenter Mangel bereits bei Übergabe vorgelegen hat.
Die geänderte Rechtsprechung des BGH, die auf einem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 4. Juni 2015 (C-497/13, NJW 2015, 2237 - Faber/Auto-bedrijf Hazet Ochten BV) beruht, führt dazu, dass sich die Beweislastverteilung weiter zu Lasten des Verkäufers verschiebt.
Der Verkäufer muss nun darlegen und beweisen, dass der Sachmangel zum Zeitpunkt der Übergabe der Kaufsache an den Käufer noch nicht vorgelegen hat, sondern erst hiernach eingetreten ist, etwa durch unsachgemäße Nutzung des Käufers. Dem Verkäufer verbleibt jedoch noch immer die Möglichkeit, sich auf einen Ausschluss der Vermutung des § 476 BGB zu berufen. Dies ist der Fall, wenn die entsprechende Vermutung nicht mit der Art der Sache oder der Art des Mangels vereinbar ist.
Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass die obigen Ausführungen nur im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs Anwendung finden.
Julia Habelt
Rechtsanwältin
Fachanwältin Verkehrsrecht
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