Szymanski und Kollegen bloggt - aktuelle Entscheidungen
LG Hagen vom 31.5.2023, Auffahrunfall auf der Autobahn
Ein Lkw fuhr auf ein Stauende zu und bremste laut Fahrtenschreiber von 62 km/h auf 11 km/h ab innerhalb von 29 Sekunden, die zulässige Geschwindigkeit betrug 100 km/h. Einen Warnblinker hatte er nicht eingeschaltet, der hinter ihm Fahrende erkannte die Situation nicht und fuhr mit 50 km/h auf den Lkw auf. Der Auffahrende wurde durch den Unfall schwer verletzt. Die Kranken- und Pflegeversicherung forderte von der Versicherung des Lkw Schadenersatz für geleistet Behandlungskosten. Sie war der Ansicht, dass der Lkw-Fahrer eine Pflicht gehabt hätte, die Warnblinkanlage einzuschalten. Da er das Unterlassen habe, sei der Unfall von ihm verschuldet worden. Die Versicherung sah aufgrund der konkreten Unfallsituation keinen erheblichen Pflichtverstoß des Lkw-Fahrers und verweigerte die Zahlung. Das LG Hagen wies die Klage mit der Begründung ab, dass es keine generelle Pflicht gibt, an einem Stauende die Warnblinker anzustellen. Eine solche Verpflichtung könne sich nur aus § 1 Abs. 2 StVO ergeben, wenn eine besondere Gefahrenlage erkennbar sei. In diesem Fall sei genau das aber nicht der Fall gewesen. Der Stau bildete sich nur auf der rechten Spur, was häufiger vorkomme, da langsame Lkw oder Auf- und Abfahrten den Verkehrsfluss beeinträchtigen können. Zudem sei ein Tempolimit von 100 km/h angeordnet gewesen und der Lkw-Fahrer habe moderat die Geschwindigkeit reduziert, als er den Stau wahrnahm. Es sei hell gewesen und der Straßenverkauf war gerade. Wenn der Hintermann dennoch mit 50 km/h auffahre, sei davon auszugehen, dass er sich grob verkehrswidrig verhielt, indem er den vorausfahrenden Verkehr nicht beobachtete. In einer solchen Situation sei es zudem fraglich, ob das Einschalten der Warnblinker überhaupt den Unfall verhindert hätte. Das sei ein so grober Verkehrsverstoß, dass die Betriebsgefahr des Lkw vollkommen zurücktrete.
BAG, Urteil vom 28.3.2023 – 9 AZR 488/21
Tilgungsreihenfolge und Mitwirkungsobliegenheit beim Urlaub
Sofern der Arbeitgeber keine Tilgungsbestimmung i. S. v. § 366 I BGB vornimmt, sei die in § 366 II BGB vorgegebene Tilgungsreihenfolge mit der Maßgabe heranzuziehen, dass zuerst gesetzliche Urlaubsansprüche und erst dann den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigende Urlaubsansprüche erfüllt würden.
Der gesetzlicher Mindesturlaub, den ein Arbeitnehmer erworben hat, bevor er aufgrund einer seitdem ununterbrochen fortbestehenden Krankheit arbeitsunfähig geworden ist, kann bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 7 I und III BUrlG grds. nur dann nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten erlöschen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten rechtzeitig vor Krankheitsbeginn in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub zu nehmen.
11.7.2023 - OVG Saarlouis: Fahrtenbuchauflage trotz Nennung des Fahrers
OVG Saarlouis vom 7.6.2023, Az. 1 B 51/23
Kann der Fahrzeugführer nach Anhörung des Halters nicht ermittelt werden, kann die Verwaltungsbehörde ein Fahrtenbuch verhängen, sofern der Halter den tatsächlichen Fahrer nicht benannt hat. In dem Verfahren vor dem OVG Saarlouis benannte der Halter zwar einen Mitarbeiter, im Nachgang stellte sich aber heraus, dass dieser nun doch nicht der Fahrer war. Dieser Mitarbeiter der Halterin füllte den zugesandten Anhörungsbogen zwar aus und gab an, das Fahrzeug geführt zu haben. Einige Zeit später trug sein Anwalt aber vor, der Mitarbeiter sei doch nicht der Fahrer gewesen. Vor Gericht konnte die Identität nicht tatsächlich geklärt werden, das Verfahren wurde eingestellt und es erging eine Fahrtenbuchauflage. Dagegen legte er Widerspruch ein.
Nach der Entscheidung des OVG Saarlouis sei die Auflage verhältnismäßig. Die Halterin habe zwar zunächst mitgewirkt, indem sie den Bogen an den berechtigten Mitarbeiter weitergab. Dieser habe aber durch die späteren falschen Angaben die Verfolgung vereitelt. Sollte die Halterin selbst den Bogen ausgefüllt haben, spreche alles dafür, dass das beigefügte Foto und die Tatsache, das das Fahrzeug normalerweise von einer anderen Person gefahren wird, nicht geprüft wurde. Daher sei die Auflage angemessen.Die Halterin des Dienstfahrzeuges hätte diese Unsicherheit vermeiden können, wenn Sie Fahrtenbücher geführt hätte.